Biografie
Musik entsteht aus einer Erfüllung. Das Publikum spürt, ob auf der Bühne jemand empfindet, was er ausdrückt, oder imitiert, was er glaubt, empfinden zu müssen. Julian Steckel spielt wie jemand, der etwas Lebendiges zu teilen hat. „Als Interpret vertraue ich meiner inneren Landschaft immer mehr und lasse das Publikum hinein. Es ist eine Verwundbarkeit, die einen letztlich aber stärker macht.“ Das sagt der Cellist Ende 2018, dem Jahr, in dem sein erstes Kind geboren wurde. Seine Überzeugungskraft ist gewachsen, die eigenen Bilder sind reicher geworden.
Steckel ist bereit, sich für die Musik und sein Publikum in die Waagschale zu werfen. Er ist sich dabei seiner Verantwortung für das bewusst, was häufig der ‚Wille des Komponisten‘ genannt wird: In der ernsthaften Auseinandersetzung mit der Partitur spürt er den Verbindungen nach, die ein Stück im Inneren zusammenhalten. „Wenn du nur ein Zimmer einer Wohnung kennst und nicht weißt, dass die Wohnung noch sieben weitere hat, kannst du nicht einmal das Zimmer verstehen.“ Wenn er auf die Bühne geht, weiß man die Musik bei ihm gut aufgehoben, freut sich darauf zu hören, was er in ihr findet, verlässt sich darauf, was die Musik durch ihn sagen will.

Steckels Spiel ist von einer Mühelosigkeit, die keine technischen Grenzen zu kennen scheint.
„Als Interpret vertraue ich meiner inneren Landschaft immer mehr und lasse das Publikum hinein. Es ist eine Verwundbarkeit, die einen letztlich aber stärker macht.“

Julian Steckel spielt Celli von Francesco Rugeri (Cremona, 1695) und Andrea Guarneri (1685, Cremona). Wenn er nicht auftritt, lebt er in München.
Erfahrungen, Erinnerungen, Orte, Begegnungen häuft das Leben automatisch an. Was einen Menschen auszeichnet ist, wie er daraus hervorgeht: Nach dem Gewinn des ARD-Musikwettbewerbs 2010 ging Julian Steckels Solokarriere los. Seitdem trat er mit dem Gewandhausorchester Leipzig, dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, dem Royal Philharmonic Orchestra, dem Orchestre de Paris, dem Rotterdam Philharmonic Orchestra und den Sankt Petersburger Philharmonikern auf. Er arbeitete unter anderem mit den Dirigenten Christoph Eschenbach, Sir Roger Norrington, Valery Gergiev, Jakub Hrůša, Mario Venzago, Fabien Gabel, John Storgårds, Lahav Shani, Antony Hermus, Christian Zacharias und Michael Sanderling. Im Bereich der Kammermusik gehören und gehörten Janine Jansen, Christian Tetzlaff, Antje Weithaas, Renaud Capuçon, Veronika Eberle, Vilde Frang, Karen Gomyo, Antoine Tamestit, Lars Vogt, Elisabeth Leonskaja, Paul Rivinius, Denis Kozhukhin und die Quartette Modigliani, Armida und Ébène zu seinen Partnern.
„Wenn du nur ein Zimmer einer Wohnung kennst und nicht weißt, dass die Wohnung noch sieben weitere hat, kannst du nicht einmal das Zimmer verstehen.“
Wenn Steckel über bisherige Stationen und Begegnungen spricht, dann merkt man: Er lässt sich weder von äußeren Erwartungen treiben, sondern vertraut einem organischen Wachsen, den Dingen, die auftauchen, wenn man mit einem wachen Bewusstsein durch das Leben geht.
Sein Spiel ist von einer Mühelosigkeit, die keine technischen Grenzen zu kennen scheint. Eine energische Kraft, die aus wenig Aufwand entsteht. Etwas, was viele suchen und nur wenige finden. Talent und die Kindheit im musikalischen Elternhaus sieht er als Geschenk, genau wie die Begegnung mit seinen Lehrern.
„Schon mein erster Lehrer hatte Leichtigkeit und Einfachheit zum Kernprinzip des Spielens erhoben. Hör dir zu, plane, was du tust, mach es lieber gleich richtig. Dieser Einsicht verdanke ich eigentlich alles.“ Julian Steckel studierte bei Ulrich Voss, bei Gustav Rivinius, Boris Pergamenschikow, Heinrich Schiff und Antje Weithaas. Heute unterrichtet er selbst, als Professor für Violoncello an der Hochschule für Musik und Theater München.

Seine Interpretationen sind gleichzeitig geerdet und durchlässig.
„Schon mein erster Lehrer hatte Leichtigkeit und Einfachheit zum Kernprinzip des Spielens erhoben. Hör dir zu, plane, was du tust, mach es lieber gleich richtig. Dieser Einsicht verdanke ich eigentlich alles.“
In der vergangenen Saison ist Julian Steckel beispielsweise mit der Badischen Staatskapelle und Schostakowitschs erstem Konzert für Violoncello und Orchester, den Dortmunder Philharmonikern, dem Philharmonischen Orchester Cottbus und dem ersten Cellokonzert von Camille Saint-Saëns, Sinfonieorchester Münster sowie Belgrade Philharmonic Orchestra zu sehen gewesen.
In der Spielzeit 2022/2023 ist Julian Steckel u. a. mit dem Residentie Orchester, der Jenaer Philharmonie, dem Philharmonischen Orchester Heidelberg, dem dogma chamber orchestra, dem Tokyo Philharmonic Orchestra, Orquesta Filarmónica de Málaga, der Amsterdam Sinfonietta, Prague Radio Symphony Orchestra und der deutschen Radio Philharmonie zu sehen– beispielsweise in der Suntory Hall Tokyo und der Amsterdamer Concertgebouw.
Daneben bleibt Kammermusik für ihn Inspirationsquelle und kommunikativer Nährboden: Geplant sind Konzerte mit Sharon Kam und Enrico Pace, sowie Antje Weithaas, Tobias Feldmann, Karen Gomyo, Lise Berthaud, William Youn und dem Modigliani Quartet.
Seine Annäherung an die Musik reicht von analytischer Klugheit bis äußerster Hingabe. Seine Interpretationen sind gleichzeitig geerdet und durchlässig. Julian Steckel hat sich freigespielt.
Stand: 2022/2023
Hartmut Welscher
Tobias Ruderer